Ein Wattflieder-Strauß geht auf die Reise
Es ist Ende der 70er oder Anfang der 80er Jahre: Das Volleyballnetz am Turm 2 ist sommers wieder dicht umlagert. Viele neue und altbekannte Gesichter sind auch dieses Jahr wieder auf die Insel gekommen und alte Freundschaften wurden bei Volleyballturnieren, Sonnenbaden und abends beim „Stiefeltrinken“ in der „Laterne im Tunnel“ oder im „Zappel“ vertieft.
Festes Ritual war eigentlich an allen Tagen, an denen jemand aus unserer Volleyballtruppe die Insel wieder verlassen musste oder eine Sommerliebe zu Ende ging, dass derjenige oder diejenige unten am Bahnhof richtig verabschiedet wurde. Bei den Freunden vom Volleyballnetz war das dann in Mannschaftsstärke! Also hieß es immer, die Turmuhr des Wasserturms im Auge haben und alle rechtzeitig vom Strand zum Bahnhof.
Dazu gehörte auch, das sich einer vorher ein Fahrrad zu schnappen hatte und mit Taschenmesser zu den Wattwiesen kurz vor der Wilhelmshöhe fuhr. Dort war immer prächtig lila blühender Wattflieder zu finden, der frisch geschnitten und als kleiner Strauß gebunden wurde. Mit Rad und Strauß ging es dann über die Mittelstraße zum Bahnhof, wo die anderen schon warteten.
Nachdem der/die Abreisende nun auch endlich samt Gepäck eingetroffen und die Tasche im Koffercontainer verstaut war, wurde richtig Verabschiedung gefeiert: Ein Fläschchen Sekt wurde geköpft, letzte Adressen ausgetauscht, der Wattflieder-Strauß als Erinnerung an Juist überreicht und das Gruppenfoto auf der Bahnhofstreppe oder der großen Bahnhofsmauer gemacht.
Aber auch wenn der feste Freund oder Freundin auf die Insel kam, wurde er oft mit einem Wattfliederstrauß begrüßt, der dann aufgehoben und später aufs Festland mitgenommen wurde. So gingen im Laufe der Jahrzehnte hunderte Wattfliedersträuße von Juist aufs Festland und fanden Ihren Weg bis an die Schweizer Grenze.
Spannend wäre es zu wissen, ob heute noch jemand diesen Strauß getrocknet aufbewahrt hat: Als Erinnerung an einen tollen Volleyballsommer oder gar eine romantische Sommerliebe …