Diskussion?
14. August 2019 // Kennen Sie die Pläne, die es für den geplanten Neubau gibt? Wissen Sie, welche Vor- und Nachteile der Abriss des historischen Bahnhofs nach sich ziehen wird? Nein? Nun, dann gehören Sie vermutlich zur Mehrheit der „Nicht-Eingeweihten“. Sie können es nämlich gar nicht wissen. Aber das empfinden manche Zeitgenossen offenbar als vollkommen normal: Den Abriss eines geschichtsträchtigen Gebäudes „mal einfach so“ zu beschliessen — in Hinterzimmern, unter Ausschluss einer durchaus interessierten Öffentlichkeit.
Schaut man sich die „Diskussion“ über den geplanten Abriss auf der Petitionsseite an, dann findet man nicht viel. Das liegt nicht an denen, die den Bahnhof retten wollen, sondern an denen, die ihn am liebsten heute noch abreissen möchten. Warum findet dort keine Diskussion statt? Was hält die Abrissbefürworter davon ab, ihre Argumente dort zu präsentieren?
Argumente: Was man findet
Stand heute findet man lediglich — neben der recht ausführlich begründeten Petition — zwei Argumente unter dem Punkt „Pro & Contra“. Beide Argumente stehen für den Erhalt des Bahnhofs.
Gegenargumente gibt es seit knapp einem Jahr — keine. Nun, das ist nicht ganz richtig: Es gab mal eines, das aber von openpetition.de wegen der Verletzung der Netiquette gelöscht wurde. Das bedeutet nichts anderes, als dass dort unzulässige Inhalte (Beispiele sind: Beleidigungen, Diskriminierungen, Diffamierungen, Verleumdungen, etc.) eingestellt wurden.
Gegenargumente? Fehlanzeige!
Kein einziges Gegenargument? Haben die Abrissbefürworter wirklich nichts vorzubringen? Geht es wirklich nur ums Geld, um Umsatz und Gewinn (was man nicht zugeben wird)? Ist das alles so viel Wert — das historische Erbe des Bahnhofs dagegen nichts? Und: Trauen sich die Abrissbefürworter nicht, irgend etwas vorzubringen — oder haben sie einfach nichts mit Substanz?
Liest man die Stellungnahme des Bürgermeisters vom 25. Mai 2019, so kann man tatsächlich auf den Gedanken kommen, dass da nichts ist, was über finanzielle Belange hinausgeht. So enthalten Goerges’ Ausführungen lediglich ein paar platte Allgemeinplätze („Nichts ist so sicher ist wie der Wandel.“). Mit den Argumenten der Petition (und damit mit dem Standpunkt von hunderten Juist-Freunden aus der ganzen Republik) setzt sich auch Bürgermeister nicht auseinander.
Geschichte? Völlig egal!
Nun, auf Facebook tauchen ab und zu Mitglieder auf, die sich vehement für den Abriss des Bahnhofs einsetzen. Immerhin, so könnte man nun denken — da stellen sich ein paar Mutige. Was dann aber zum Besten gegeben wird, kommt nicht über substanzlose Ablehnung des Bahnhofserhalts hinaus. Eine Diskussion ist gar nicht gewünscht!
Kein Bezug zum Bahnhof? Abreissen!
Wer mal ein wenig in den Kommentaren der PetitionsunterzeichnerInnen blättert, der kann bis heute knapp 600 Aussagen finden, die zum Grossteil ihre Betroffenheit über den geplanten Abriss ausdrücken. Darunter sind auch viele, die die aktiven Zeiten der Juister Inselbahn nie erlebt haben. Warum sollte man als Bahnhofsgegner das aber lesen, verstehen und ernst nehmen?
So reicht es denn offenbar aus zu behaupten, man habe „keinen Bezug“ zum Bahnhof, um dessen Abriss zu fordern. Kein Bezug einer Einzelperson, also weg mit den Gebäude! Was hunderte Menschen für den Erhalt schreiben, ist völlig egal! Sieht so eine ernsthafte Diskussion aus?
Es schimmert durch: $$$
Nun kann man davon ausgehen, dass nicht wenige Juister mit der Frisia-Reederei auf irgend eine Art verbandelt sind. Und wie das so ist bei Quasi-Monopolisten: Mit denen will und sollte man es sich nicht verderben — insbesondere, wenn man von ihnen profitiert. Es sei ihnen gegönnt, den „Shareholdern“, wie man sie heute neudeutsch bezeichnet.
Kann aber der eigene kleine finanzielle Vorteil rechtfertigen, dass man keine Diskussion über den Abriss eines Gebäudes führen will? Kann der Genuss einer Dividende durch die Frisia rechtfertigen, dass man alle Gegenargumente ignoriert? Dass man die Stimmen von Juistern und Gästen ausblendet?
Wenn letztlich nur ein „Bracht hat auch keinen gestört“ bleibt — was übrigens frei erfunden ist — dann ist eine erwachsene Diskussion weder gewollt noch möglich.
Gäste? Klappe halten!
Tja, manch einer weiss also auf Juist genau, was passieren wird. Die Petition sei gescheitert, so behauptet man zudem selbstbewusst. Mit den Menschen, die sich für den Erhalt des Bahnhofs einsetzen, will man nicht diskutieren. Informationen behält man für sich (weil man glaubt, sie exklusiv zu haben) — mit Gästen behandelt man ein Thema wie den Abriss des Bahnhofs einfach nicht.
Es gibt auf Juist zwar ein Gästeparlament — aber das hat in dieser Sache die Granden der Insel offenbar mehr gestört als ihnen Freude bereitet. Auch hier hielt man es nicht für nötig, umfassend zu informieren. Die Frisia erschien nicht zur Sitzung des Gästeparlaments und von der Gemeinde erfuhren die engagierten „ParlamentarierInnen“ ebenfalls nichts.
Irgendwie ist es ein Trauerspiel, das da seit knapp einem Jahr auf meiner ostfriesischen Lieblingsinsel stattfindet. Wir wissen alle, dass wir dringend eine generelle Verbesserung unserer politischen Kultur benötigen. Wir wissen alle, dass gesellschaftliche Verantwortung in unserem Land mehr in den Vordergrund rücken muss. Aber auf Juist wird ohne grössere Hemmungen ein klassisches Hinterzimmertheater aufgeführt, von dem viele Menschen hoffen, dass so etwas nicht mehr stattfindet.
Vielleicht sollte der Bahnhof schon deshalb stehen bleiben, weil er uns später einmal an eine Zeit erinnern könnte, in der die Verantwortlichen einfach abtauchen konnten, in der notwendigen Diskussionen einfach aus dem Weg gegangen wurde — und in der eine Schülerbewegung uns Älteren gesellschaftliches Engagement und Teilhabe vorleben musste.
-Frank Jermann