Die Insel der Glückseligen
Kommentar
23. April 2021 // Was in der Diskussion über die Entwicklung des historischen Juister Bahnhofs verwundert, das ist der anscheinend unerschütterliche Glaube mancher an das, was auf der Insel vorgeht. Weder die Berichte auf unserer Website noch die Zeitungsartikel lassen manche auch nur daran zweifeln, dass auf Juist alles mit rechten Dingen zugeht. Teilweise ist noch nicht einmal der Wille vorhanden, sich mit den nun bestätigten Vorwürfen auseinanderzusetzen. Offenbar glaubt man, dass — wieder einmal — der Einfluss der Mächtigen gross genug sein und alles gut gehen wird.
Das Vorgehen: Die Insider
Es sind bekannte Muster, die verwendet werden. Da ist zum einen das Modell der Insider:
- Schweigen — wenn das nicht mehr geht
- das Gegenteil behaupten, also einfach Fake News in die Welt setzen — und wenn es dazu Nachfragen gibt,
- sich als Insider darstellen und Details verweigern.
Die abschliessende Verweigerung der Diskussion geht gerne zusammen mit einem „was wisst ihr auf dem Festland schon?“. Die Kernbotschaft lautet: Ich war dabei, bin nah dran, habe die richtigen Kontakte und den Überblick — Du aber nicht. Sei also besser still.
Konkret fällt mir dazu ein Juister Gastronom ein, der gerne nach diesem Muster vorgeht. Es passt ins schräge Bild, wenn er sich dann auf Nachfrage mit fast kindlich anmutender Naivität darauf beruft, dass er seine Kenntnisse zwar mit anderen teilen könnte, aber nicht möchte.
Dabei hat der Mann seine Glaubwürdigkeit gegenüber unbefangenen LeserInnen bereits verspielt. Er behauptete beispielsweise breitbeinig, dass alle Baumassnahmen am Bahnhof genehmigt wären. Kurze Zeit später erklärte der Sprecher des Landkreises das Gegenteil.
Manchen Fans des flunkernden Gastronomen ist das allerdings egal. Innerhalb dieser völlig unkritischen Fan-Blase bestätigt man sich gegenseitig auch die absurdesten Aussagen mit dem üblichen Facebook-Like.
Eine andere Methode: Diskreditierung
Das zweite Modell ist das der Diskreditierung. Auch dieses hat seinen Ursprung im Schweigen, wohl in der Hoffnung, dass alles irgendwie gut wird. Wenn die Hinweise auf Unregelmässigkeiten dann aber zu sichtbar werden, geht es los:
- Der Einstieg kann auf verschiedene Art stattfinden. Das Grundmotiv ist aber immer, nicht die Inhalte zu thematisieren, sondern einen Nebenstrang zu eröffnen.
- Auf die Reaktion — in der Regel kann man die Absurdität deutlich machen, indem man auf das eigentliche Thema hinweist — folgt eine schärfere Gangart. Entweder wird dann noch eine zeitlang am Seitenstrang geklammert oder es erfolgt gleich
- die persönliche Attacke. Damit werden dem Gegenüber Unfähigkeit, Nichtwissen oder andere persönliche „Mängel“ unterstellt. Sich dagegen argumentativ zur Wehr zu setzen ist weitgehend sinnlos, denn es folgen
- weitere Absurditäten. Auch hierzu ist eine sachliche Diskussion natürlich nicht erwünscht. Das eigentliche Thema wird an dieser Stelle bereits lange nicht mehr behandelt. Macht man sich die Mühe, die Absurditäten doch noch als solche klarzustellen, so erntet man — mangels verständiger Erwiderungsmöglichkeiten — häufig nur noch ein
- Auslachen-Smiley. Vermutlich wird das als ein „Durchsetzen“ in der Diskussion empfunden — aber es ist natürlich nichts weiter als ein Ausdruck einer inhaltlichen Sprachlosigkeit.
Auch hierfür gibt es in den aktuellen Facebook-Diskussionen einige Beispiele. Eines stammt von der „offiziellen“ Bloggerin der Insel Juist:
Da wurde der Bogen gespannt von absurden Forderungen („beschreite doch den Rechtsweg“) über den Vorwurf der „extremen Hetze“ bis hin zu der Ansicht, dass man sich nicht zu den Entwicklungen des Bahnhofs äussern möge, wenn man Juist nicht mehr als attraktives Urlaubsziel ansieht. Es soll KritikerInnen die Legitimation entzogen werden, sich überhaupt zur Sache zu äussern.
Keine Argumente? Einfach etwas erfinden!
Hilft auch das nicht, werden die „Argumente“ meist noch abstruser. Die Juister Bloggerin warf mir vor, dass ich mich nicht um das bedrohte Seeferienheim gekümmert hätte. Abgesehen davon, dass das mit den Unregelmässigkeiten von Gemeinde und Frisia in Sachen Bahnhof nichts zu tun hat, ist die Behauptung einfach dreist erfunden.
Ich habe die Seeferienheim-Aktion natürlich unterstützt und stand sogar in Telefonkontakt mit der Petentin. Allerdings sind die Wahrheiten in der „Diskussion“ ja bereits seit geraumer Zeit nicht mehr wichtig, denn es geht um die persönliche Diskriminierung des Gegenübers — mit dem Ziel der Einschüchterung und dem letztlich erhofften Aufgeben.
Bemerkenswert dabei ist, dass das eigentliche Thema mittlerweile weitgehend aus den Augen verloren wurde — und ab und zu finden sich für den verzapften Unsinn der Bloggerin dann auch noch ein paar „Likes“.
Das alles ist ermüdend, ja. Allerdings muss man, wenn man versucht, einen Sachverhalt öffentlich zu machen, in den sozialen Medien mit solchen Methoden rechnen.
Eine beschämende Diskussionkultur
Unterm Strich bleiben mehrere Erkenntnisse: Zum einen wird ein beschämendes Bild unserer Diskussionskultur deutlich. Zum anderen sind diese Meta-Themen immer ein gutes Zeichen, dass die inhaltlichen Vorwürfe sehr viel Substanz haben. Mit der Verlagerung auf eine persönliche Ebene wird der zugrunde liegende Sachverhalt in der Regel bestätigt: Es war ein Treffer (woran es im vorliegenden Fall aufgrund der Bestätigung durch den Kreis Aurich sowieso keine Zweifel gibt).
Es liegt auf der Hand: Wenn man erkennen muss, dass es für die Baumassnahmen keine Genehmigung gibt, was kann man dann noch argumentieren? So wird — weil man ja in der Sache nichts beitragen kann, was den eigenen Zielen dient — eben darauf ausgewichen, Personen zu diskreditieren.
Auch, wenn ich das abprallen lassen kann, so erreichen die Verbreiter von Fake News und persönlichen Attacken natürlich trotzdem ein Ziel: Andere Menschen werden abgeschreckt, ihre Meinung zu äussern. Nicht jede und jeder ist robust genug, um sich frei erfundenen Behauptungen und schmutzigen persönlichen Diskreditierungen stellen zu wollen.
Mögliche Nachteile? Besser Schweigen!
Was also erreicht wird, ist ein Klima der Vorsicht, wenn nicht gar der Angst. Will man sich als Gast dem Risiko aussetzen, beim nächsten Juist-Besuch schräg angeguckt zu werden?
Will man als JuisterIn mit einer abweichenden Meinung in die Situation bringen, plötzlich auf der Strasse nicht mehr gegrüsst, im Geschäft nicht mehr bedient zu werden? Will man sich das Wohlwollen der Frisia verscherzen, das diese sich vielleicht bisher mit einer vergünstigten Jahreskarte oder unkomplizierter Hilfe bei Transporten gesichert hat?
Es ist genau dieses Schweigen, das Wegschauen und das Akzeptieren der Machenschaften „der da oben“, das zur Situation auf Juist geführt hat: Die Insel wird ausverkauft, der Charme verschwindet zusehends. Wirtschaftliche Interessen Einzelner sind die Triebfeder.
Kein Ohr für Gäste
Was Juist gerne stolz für sich in Anspruch nimmt, nämlich ein Ohr für die Gäste zu haben, das wird spätestens dann Makulatur, wenn es um handfeste Geschäftsinteressen geht. Mehr als 2.200 Menschen in mehreren Ländern haben sich für den Erhalt des Juister Bahnhofs eingesetzt. Und trotzdem finden es die Juister Politik und Verwaltung sowie die Frisia AG richtig, die Pläne für den Umbau des Gebäudes nicht zu veröffentlichem. Das ist respektlos.
Es passt ins Bild, wenn man gerade jetzt von Rücktritten im Gästeparlament hört.
-Frank Jermann